Our FB page:
This article:
 

Friedensnobelpreis für Malala Yousafzai – Ein Desaster für das Recht auf Bildung

Otto Kolbl

Malala hat bewundernswerten Mut gezeigt bei ihrem Kampf für das Recht der Mädchen auf gleiche Bildungschancen wie Jungen. Ihr den Friedensnobelpreis zu verleihen sendet jedoch die falschen Signale und wird die Lage der Mädchen in dieser Gegend nicht ändern, ganz im Gegenteil.

Malala Yousafzai at Girl Summit 2014-croppedMalala Yousafzai beim Girl Summit 2014, photo Russell Watkins/Department for International Development, CC-BY 2.0 auf Wikimedia

Das erste Problem ist, dass dies sicher viele Eltern in armen Ländern dazu verleiten wird, ihre Kinder dazu anzuspornen, sich für die verschiedensten Zwecke einzusetzen. Fast eine halbe Million Euro (dies bekommt Malala mit ihrem Friedensnobelpreis) ist ein allzu verlockender Anreiz. Die Erwachsenen sollten den Mut haben, sich selbst für ihre Ideale einzusetzen, anstatt diese Aufgabe ihren minderjährigen Kindern zu überlassen.

Ein viel schwerwiegendes Problem ist, dass dies die falschen Signale in Bezug auf das Recht auf Bildung aussendet. Die Taliban sind nicht das grösste Hindernis für den Zugang zu Bildung in Pakistan; sie sind vielmehr die Nutzniesser der katastrophalen Politik der pakistanischen Regierung auf diesem Gebiet. Hier ist die Alphabetisierungsrate für junge Leute (15 bis 24 Jahre alt) für einige ausgewählte Länder der Region, gemäss dem UNESCO Institute for Statistics:

Land (Jahr) Alphabetisierung (15-24 J.)
Pakistan (2011) 70.8%
Indien (2006) 81.1%
Myanmar (2000) 94.6%
Thailand (2010) 96.6%
Philippinen (2008) 97.7%
Iran (2012) 98.0%
Sri Lanka (2010) 98.2%
Indonesien (2011) 98.8%
China (2010) 99.6%

Im Verhältnis zu seinem Entwicklungsniveau gehört Pakistan im Bereich Alphabetisierung sicher zu den am schlechtesten abschneidenden Ländern der Welt. Die Taliban rekrutieren viele Kämpfer, indem sie in religiösen Madrasa-Schulen kostenfreie Bildung anbieten für Jungen, die vom öffentlichen Schulsystem sich selbst überlassen werden. Wenn die pakistanische Regierung sich um das Recht auf Bildung und andere ähnliche Rechte kümmern würde, gäbe es die Taliban wahrscheinlich nicht einmal.

Westliche Politiker, Akademiker und Medien lässt dieses Thema ebenfalls kalt. Haben Sie schon von einem Staatsoberhaupt gehört, das vor einer Reise nach Pakistan ankündigte, er oder sie würde das Recht auf Bildung zur Sprache bringen? Die Allgemeine Menschenrechtserklärung hat dazu Folgendes zu sagen:

Artikel 26
Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.

Wenn jedoch junge Leute auf der ganzen Welt für ihr Recht zu gleichem Zugang zu höherer Bildung demonstrieren, werden unsere Medien nie zugeben, dass dies überhaupt zu den Menschenrechten gehört. Wenn in einem Land die Alphabetisierungsrate viel tiefer liegt als in vergleichbaren Ländern, wird niemand die Regierung kritisieren, geschweige denn zur Rechenschaft ziehen, auch wenn eines der Grundrechte von Millionen Menschen verletzt wird und die Stabilität des Landes und der ganzen Region aufs Spiel gesetzt wird.

Wenn andererseits eine Regierung die Pressefreiheit oder die akademische Freiheit einschränkt, geht ein massiver Aufschrei durch die ganze Welt. Tatsache ist, dass unsere Medien und Akademiker vor allem ihre eigenen Rechte und Privilegien verteidigen und den Rest der Menschenrechte schamlos amputieren.

Malala's Mut und der schreckliche Angriff auf sie könnten ein Anstoss sein für eine tiefgreifende Diskussion über das Bildungssystem in Pakistan und anderswo auf der Welt sowie über Menschenrechte allgemein. Stattdessen haben unsere Medien und das Nobelpreiskomitee diese Ereignisse genutzt, um die Aufmerksamkeit weg von der Verantwortung der Regierungen in Bezug auf das Recht auf Bildung und hin auf die Taliban zu lenken.

Der pakistanische Premierminister versteht dies nur zu gut wenn er Malala zum Friedensnobelpreis gratuliert und sie den "Stolz" der Nation nennt. Die einzigen, die sie stolz macht, sind die korrupten pakistanischen Politiker, die jetzt von der ganzen Welt bestätigt bekommen, dass nicht sie das Recht der Pakistanis auf Bildung verletzen, sondern die Taliban. Einer Verbesserung der Lage für die pakistanischen Kinder und Jugendlichen ist dies gelinde gesagt nicht förderlich.

Menu